15.07.2018
Lampenfieber, Vorfreude und Super-Stimmung
Hautnah dabei bei Pferd & Sinfonie
Wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen von „Pferd und Sinfonie“, einer der beliebtesten Veranstaltungen beim CHIO Aachen, aus? Sind die Teilnehmer nervös? Was wird noch einmal kurz vor dem Einritt geprobt? Gibt es Rituale? Wie sehen die letzten Sekunden vor dem großen Auftritt am Einritt aus? Und wie nehmen die Teilnehmer die Atmosphäre im Deutsche Bank Stadion wahr? Wir haben uns am Samstagabend mal umgeschaut und umgehört…
Im Stallbereich herrscht schon Stunden vor Beginn reges Treiben. Mähnen werden eingeflochten, Teilnehmer geschminkt, Kostüme angezogen, ein letztes Mal die Choreografien besprochen. Auch die Teilnehmer des Fohlenhofs Farbenfroh aus dem Allgäu rennen geschäftig zwischen den Boxen hin und her. Für den großen Auftritt gibt es viel zu tun. Zwar führen sie regelmäßig ihre Nummern bei bekannten Veranstaltungen auf, Aachen ist jedoch etwas Besonderes, wie Artur Nieberle, der Eigentümer des Fohlenhofs, verrät: „Es ist ein schönes Gefühl, beim größten Reitturnier der Welt dabei zu sein. Das Zusammenspiel mit der Live-Musik ist ohne Frage eine Herausforderung. Das Publikum ist hier einfach toll!“ Mit rund 25 Leuten sind sie angereist. 14 Teilnehmer werden in wenigen Stunden in das Deutsche Bank Stadion einreiten oder -fahren.
Reges Treiben in der Stallgasse
Eine Stallgasse weiter sitzt ebenfalls niemand still: Die Schaubildgruppe Lobberich fiebert auch ihrem zweiten Auftritt bei „Pferd und Sinfonie“ entgegen. „Für uns als Hobbyreiter ist es eine Riesennummer, dort aufzutreten, wo sonst die Weltstars reiten“, freut sich Leiterin Patricia Schürmann. Monatelang hat sich die 65 Teilnehmer starke Truppe auf ihren sechseinhalbminütigen Auftritt vorbereitet. Die Jüngste ist gerade einmal sechs Jahre, der Älteste 67. Hinzu kommen acht Pferde. Sie alle präsentieren eine Jahrmarktszene. Selbst die Requisiten vom Kostüm bis zum Marktstand sind selbstgemacht. Die teilnehmenden Reiter wurden im Vorfeld per Casting ausgesucht. Die Stimmung hinter den Kulissen ist ausgezeichnet. Fast wie bei einer großen Familie. Mit „Pferd und Sinfonie“ ist für die Gruppe jedoch nicht Schluss, auch beim Ökumenischen Gottesdienst am Soerser Sonntag und bei der Eröffnungsfeier sind sie dabei.
19.30 Uhr. Gerd-Michael Wagner und Klaus-Peter-Wegener sind zwei von insgesamt 36 Ordnern, die bei „Pferd und Sinfonie“ im Einsatz sind. Am Aufgang zur Osttribüne kontrolliert das Duo nicht nur die Tickets der Besucher, es verteilt auch das Programmheft zu der Veranstaltung und hilft bei sonstigen Fragen der Besucher weiter. Der 60-jährige Gerd-Michael Wagner arbeitet seit zwei Jahren ehrenamtlich beim CHIO Aachen. Bereut er es zu arbeiten, während andere im Stadion sitzen und den Abend genießen? „Auf keinen Fall. 30 Jahre lang habe ich den CHIO Aachen als Zuschauer besucht, vor zwei Jahren habe ich mich als Ordner beworben. Diese Aufgabe macht riesigen Spaß!“ Außerdem findet er es spannend, das Turnier einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Diese Stimmung zwischen Abreiteplatz und Einritt ins Deutsche Bank Stadion beschreibt er als etwas ganz Besonderes. Hier spürt man förmlich diese Mischung aus Nervosität, Anspannung, Konzentration und Vorfreude bei den Teilnehmern und Organisatoren, die Erleichterung, wenn alles geklappt hat. Hier treffen unterschiedlichste Menschen zusammen.
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Bald geht es los!
Auf dem Abreiteplatz treffen wir zu der Zeit auch „alte Bekannte“ wieder: Die acht Shetlandponys, die vor ein paar Stunden noch in ihren Boxen standen, sind nun vor die Sulkys gespannt und drehen gemütlich ihre Runden über den Platz, bevor es auf „die große Bühne“ geht. „Sind die niedlich“, hört man eine kleine Zuschauerin am Rande des Abreiteplatzes zu ihrer Mutter sagen. Doch plötzlich ist es mit der Ruhe vor dem Sturm vorbei. Es kommt die Ansage: Aufstellen! Es sind wenige Minuten vor 20.30 Uhr. Showtime. Gleich werden 12.600 Augen auf die Mini-Gespanne gerichtet sein.
Per Funk wird vom Einritt an den Orchestermanager auf der Bühne weitergegeben, wann genau es losgeht. Dieser wiederum gibt dem Dirigenten das Signal zum Start. Denn Showact und Musik müssen parallel beginnen. Für Dirigent Mathis Groß vom Theater Aachen war der Auftritt am Freitag seine Premiere: „Es war toll, aber auch spannend, weil ich natürlich nur ahnen konnte, was auf mich zukommt“, schmunzelt er kurz vor seinem zweiten Auftritt. In der Tat ist einiges anders als im Konzertsaal. Für den Orchesteraufbau musste vorher die Bühne genau ausgemessen werden. Schließlich brauchen 59 Musiker und ihre Instrumente ausreichend Platz. Und auch in logistischer Hinsicht ist dieser Auftritt eine Herausforderung: Stühle müssen bereitgestellt werden, je nach Instrument zusätzliches Inventar wie Ständer für die Blasinstrumente oder Ablagen für die Celli. „Zudem ist die Akustik eine andere, wenn man Open Air spielt“, so der stellvertretende Orchestermanager Amadeus Kausel. „Daher arbeiten wir bei jedem Instrument mit Verstärkern.“
Abflug!
Maßarbeit ist auch ein paar Meter weiter gefragt. Dort macht sich bereits Laura Stullich alias „Mary Poppins“ vom Theater Lufttanz Berlin für ihren Abflug bereit. Das Kostüm sitzt. Nun muss sie nur noch an einem Seil, das von einem Spezialkran gelenkt wird, befestigt und gesichert werden. Nicht mehr lange – dann schwebt sie in 40 Metern Höhe über dem Deutsche Bank Stadion. Auch für die Akrobatin eine neue Erfahrung. „Diese Nummer macht sehr viel Spaß und von oben habe ich die beste Sicht. Das ist schon ein schönes Gefühl“, verrät sie. Für den einen oder anderen Erinnerungsschnappschuss steht sie vorher auch noch bereit. Wann trifft man schon mal Mary Poppins? Der Kran wird von Kai Lauschmann gesteuert. Er kennt sich mit solchen Nummern bestens aus. „Heute ist ein bisschen mehr Wind als gestern. Er dreht von rechts ins Stadion rein.“ Auch solche Komponenten muss er bei der Lenkung beachten, denn kein Tag gleicht dem anderen. Unterstützung erhält er durch einen Einweiser per Funk.
Emotionales Finale
Nicht nur die Zuschauer sind neugierig auf die einzelnen Showacts. Auch die Teilnehmer selbst. Der erst 15-jährige Nachwuchsgeiger Enzo Kok nutzt vor seinem Auftritt daher noch schnell die Gelegenheit, etwas von dem übrigen Programm mitzubekommen. „Gestern habe ich die Nummer mit den Fohlen vom Arabergestüt Ismer leider verpasst. Heute möchte ich sie mir unbedingt anschauen“, sagt er. Noch sitzt er mit seiner Mutter am Rand des Dressurvierecks, schon in einer halben Stunde wird er selbst mit der erfolgreichen Nachwuchs-Dressurreiterin Johanna Kullmann – unter anderem gewann sie die Aachen Youngstars 2017 – in der Arena stehen und sein Violinsolo zum Besten geben. „Eigentlich habe ich gar nichts mit Pferden zu tun, daher ist dieser Auftritt hier für mich eine supertolle Erfahrung“, erzählt Enzo. Ein bisschen nervös ist er zwar, aber die Vorfreude überwiegt. Gibt es ein Ritual vor seinem Auftritt? „Ein richtiges Ritual habe ich nicht, aber vor jedem Auftritt brauche ich einfach ein paar Minuten für mich.“
22.45 Uhr: Alle Mitwirkenden stellen sich am Abreiteplatz auf, um sich traditionell im Stadion zu Edgar Elgars „Pomp & Circumstance Marsch Nr. 1“ und mit Fackeln ausgestattet von dem Publikum zu verabschieden. Auch Ordner Gerd-Michael Wagner ist noch da. Für ihn ist dieser Moment einer der beeindruckendsten des Abends: „Wenn die Teilnehmer nach dem letzten Aufmarsch das Stadion verlassen, haben alle ein Lächeln im Gesicht und der eine oder andere sogar ein Freudentränchen, weil er so gerührt ist von der Stimmung.“